Elberadtour 2022 – Von Cuxhaven zur Elbequelle

Montag, 15. August 2022
178 km von Cuxhaven nach Boizenburg

Nachdem ich wegen einer Coronainfektion die Tour um eine Woche verschieben musste, geht es nun endlich los. Heute starte ich meine lange geplante Fahrradtour von Cuxhaven auf dem Elberadweg bis an die Elbquelle.

Los geht es an der Kugelbake dort, wo Elberadweg und Weserradweg aufeinandertreffen, also dem offiziellen Startpunkt des Elberadwegs am südlichen Elbufer. Der zweite Startpunkt am nördlichen Elbufer befindet sich in Brunsbüttel und führt bei Glückstadt über die Elbe nach Wischhafen, wo sich beide Wege vereinigen.

Die erste Etappe führt mich heute nach Boizenburg. Zunächst geht es 89 km über Otterndorf, Wischhafen und Stade nach Lühe. Wo ich um 10:00 Uhr die Fähre erreichen möchte mit der ich über die Elbe setze. Weiter geht es dann über Hamburg weitere 89 km bis nach Boizenburg.

Pünktlich um kurz nach sechs starte ich an der Kugelbake bei bestem Wetter kurz nach Sonnenaufgang. Schon jetzt ist es so warm, dass ich in kurzer Hose und kurzärmeligem Trikot fahren kann. Es geht durch die menschenleere Grimmershörnbucht am Seglerhafen vorbei durch die Kapitän Alexander Straße Richtung Groden. In Altenbruch ab der Dicken Berta führt der Elberadweg eigentlich vor dem Deich entlang über die Schafwiesen. Da ich allerdings nur nur gut dreieinhalb Stunden Zeit habe, um um 10:00 Uhr die Fähre zu erreichen, spare ich mir diese zeitaufwendige Strecke und schlage den Weg über die alte Marsch ein, um direkt nach Otterndorf zu fahren. Hinter Otterndorf führt der Weg entlang der Bundesstraße nach Neuhaus und dann Richtung Wischhafen und weiter nach Stade. Nach dreieinhalb Stunden erreiche ich pünktlich um 9:45 Uhr den Fähranleger in Lühe. Es ist zum Glück auflaufend Wasser, sodass der Zugang zur Fähre nicht mehr so steil ist. Bei Ebbe ist der Zugang schon eine ziemliche Herausforderung mit einem vollbeladenen Liegerad.

Nach knapp 30 Minuten Fahrzeit legt die Fähre am nördlichen Elbufer in Schulau an. Nun kann ich meine Fahrt ganz entspannt und ohne Zeitdruck fortsetzen. Der Weg führt mich über einen wunderschönen Radweg direkt am Elbufer vorbei an Blankenese mit einem tollen Blick auf die Airbus Werke am anderen Elbufer. Vorbei an den Landungsbrücken kann ich einen tollen Blick auf die Hafencity mit der Elbphilharmonie, von den Hamburgern liebevoll Elfi genannt, genießen. Den befürchteten Stadtverkehr kann ich relativ schnell hinter mir lassen und über den Holzhafen über schwach befahrene und teilweise nur für Fahrräder zugelassene Straßen nach Ochsenwerder gelangen. Nun geht es durch eine wenig spektakuläre Landschaft entlang der Elbe (jedoch ohne die Elbe selbst zu sehen) weiter meinem Tagesziel entgegen. Über Geesthacht und Lauenburg erreiche ich am späten Nachmittag mein Hotel in Boizenburg. Die ersten 180 km sind geschafft.

Das Hotel „Stadt Boizenburg“ ist ideal für Fahrradreisende. Ein Fahrradkeller, der über Nacht abgeschlossen wird, steht zur Verfügung. Allerdings muss man zunächst eine Treppe hinunter, was mit meinem Liegerad, das voll beladen über 50 kg auf die Waage bringt, nicht gerade ein Vergnügen ist. Glücklicherweise liegen aber U-Profile auf der Treppe, was die Sache deutlich vereinfacht.

So, nachdem das Fahrrad gut untergebracht ist, ich mein Zimmer bezogen und geduscht habe, erst mal in dem Hotel Restaurant etwas essen. Dachte ich. Allerdings schloss das Restaurant wegen Personalmangel bereits um 17:00 Uhr. Also in die Stadt gehen und dort ein schönes Restaurant suchen. Gibt sicherlich genug andere Möglichkeiten. Dachte ich. Ich habe selten so ein verschlafenes Nest gesehen. Nach langem Suchen werde ich dann doch fündig und kehre bei einem Griechen ein. Es gibt Jägerschnitzel. Das muss man sich beim Griechen so vorstellen: drei große Stücke gegrilltes Fleisch ertränkt in einer Pilzsauce. Dazu eine üppige Portion Pommes und Krautsalat. Das ist aber eigentlich genau das, was ich nach diesem Tag brauche.

Um kurz vor neun liege ich bereits im Bett, den Wecker auf 6:30 Uhr gestellt.

Dienstag, 16. Augunst 2022
175 km von Boizenburg nach Klietz

Bereits vor dem Weckerklingeln wache ich erstaunlich ausgeruht auf. Ein Blick aus dem Fenster: wie erwartet bestes Wetter. Der zweite Tag der Tour kann starten.

Erstmal das Fahrrad aus dem Keller gewuchtet und die Akkus eingesetzt, dann den Koffer mit den Klamotten beladen. Alles hat genau seinen Platz, um den begrenzten Raum effektiv auszunutzen. Dann zum Frühstück, was am Tisch serviert wurde und sehr gut war.

Die heutige Etappe führt von Boizenburg 175 km nach Klietz. Bei der gestrigen Suche nach einem Restaurant habe ich einen Penny Markt gesehen, den ich zunächst ansteuere, um mich mit Getränken, Bananen und Äpfel für die Fahrt einzudecken.

Deichweg

Hinter Boizenburg führt der Elberadweg über schier endlose Radwege, die auf dem Elbdeich verlaufen. Diese liegen allerdings soweit von der Elbe entfernt, dass man nur selten den Fluss selbst zu Gesicht bekommt. Es ist erstaunlich wenig bis gar kein Verkehr auf dem Elberadweg. Zumindest morgens um 9:00 Uhr.

Um 9:30 Uhr treffe ich auf einen alten Wachturm aus DDR-Zeiten. Die Elbe stellte seinerzeit an dieser Stelle die Grenze zwischen der BRD und der DDR dar. Allerdings steht dieser Wachturm nicht an der Stelle, wo er ursprünglich stand, sondern wurde abgetragen und an dieser Stelle als Gedenkstätte neu errichtet. Eine seltsame Vorstellung, dass ich mich auf einem Gebiet befinde, von dem wir in der Schule gelernt haben, dass man dort niemals hin kann. Unvorstellbar, dass Menschen einfach erschossen wurden, die versucht haben, von dieser Seite der Elbe auf die andere Seite zu gelangen.

Nach 40 km führt der Radweg bei Hitzacker wieder auf die andere Seite der Elbe. Eigentlich sollte dort eine Fähre fahren, aber die ist außer Betrieb. Etwas ratlos starre ich auf das Schild, das darauf hinweist. Da höre ich eine Stimme vom Wasser her: „hast du alles gelesen?“. Dann schaue ich etwas genauer hin. Dort steht: „eventuell Nachbarschaftshilfe“. „Ich kann dich rüber bringen“, ruft der Mann. Also schiebe ich mein Fahrrad die Böschung runter zu einem kleinen Boot, vielleicht 5 m lang, indem ein älterer Herr auf mich wartet. Am Bug hat das Boot eine Klappe, über die ich das Fahrrad schieben kann. Kaum an Bord startet der kleine Außenbordmotor und wir tuckern gemütlich dem anderen Ufer entgegen. Auf der anderen Seite angekommen frage ich, was er dafür bekäme. Wenn ich ihm freiwillig etwas gebe, wäre es nett, sagt er. Er mache es nur zum Zeitvertreib in seiner Freizeit und möchte nichts daran verdienen. Ich gebe Ihnen natürlich gerne etwas.

Nach 60 km erreiche ich eine quer über das Feld führende Brückenkonstruktion mit 16 Bogenbrücken, die dann einfach aufhört.

Ich habe dann später gegoogelt, um was es sich bei diesen seltsamen Bauwerk handelt. Es sind die Reste der „Dömitzer Eisenbahnbrücke“, die ab 1873 an dieser Stelle über die Elbe führte. Heute sind nur noch die 16 Vorlandbrücken mit einer Länge von jeweils 33,9 m vorhanden. Die eigentliche Brücke über die Elbe bestand aus vier Brückenfeldern mit je 68 m Länge und einer Drehbrücke mit 2 mal 18 m. Nach einem Luftangriff am 20. April 1945 stürzte der östliche Überbau vor der Drehbrücke in die Elbe. Weil das Bauwerk die innerdeutsche Grenze querte, unterblieb ein Wiederaufbau.

Bei Kilometer 159 überquere ich erneut die Elbe mit einer Fähre. Das Besondere an dieser Fähre ist, dass sie völlig ohne eigenen Antrieb auskommt und ausschließlich durch die natürliche Strömung der Elbe bewegt wird. Diese Art der Fähre wird Gierseilfähre genannt. Dabei hängt die Fähre an einem langen Drahtseil, an dem Bojen mit Leitblechen verteilt sind. Je nach Stellung der Bojen drückt die Strömung die Fähre entweder auf die eine oder die andere Seite des Flusses.

Nach 175 km erreiche ich das „Land-Gut-Hotel“ in Klietz. Die reine Fahrzeit betrug 6 Stunden 4 Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 28,9 km/h.

Klietz ist ein kleiner Ort, in dem es eigentlich nicht zu sehen gibt. Daher dusche ich nur und esse im Hotelrestaurant. Zu dem Hotel gehört ein Holzschuppen, indem ich mein Fahrrad sicher unterstellen kann. Es gäbe hier auch die Möglichkeit, die Akkus direkt dort zu laden. Zur Sicherheit nehme ich sie aber heraus und lade sie im Hotelzimmer. Man weiß ja nie, ob nicht irgendwann irgendjemand auf die Idee kommt, den Stecker aus der Steckdose zu ziehen, um zum Beispiel sein eigenes Fahrrad zu laden. Dann würde ich am nächsten Morgen mit unvollständig geladenen Akkus dastehen. Das Risiko wäre mir zu groß.

Mittwoch, 17. Augunst 2022
200 km von Klietz nach Wittenberg

Heute steht die längste Etappe der Tour an: knapp 200 km von Klietz nach Lutherstadt-Wittenberg. Das Wetter ist nach wie vor hervorragend. Bereits morgens um acht zeigt das Thermometer über 20° an. Ich sitze schon vor sieben im Frühstücksraum. Mein Rad steht bereits abfahrbereit vor der Tür. Um 7:30 Uhr bin ich auch schon wieder auf der Tour. Es geht schier endlos auf dem Elbdeich weiter Richtung Süden.

Nach knapp 40 km erreiche ich die Schleuse in Parey. Womit ich nicht gerechnet habe: Es gibt keine Überfahrung, sondern nur eine Fußgängerüberquerung mit einer steilen Treppe auf jeder Seite. Nach einiger Überlegung entschließe ich mich, keine Umfahrung zu suchen, sondern diese Herausforderung anzunehmen. Dank einer Schiene auf der Treppe und der Anfahrhilfe an meinem Liegerad war es unter einigen Anstrengungen möglich, das Rad auf die andere Seite zu bringen. Über Burg geht es nun weiter Richtung Magdeburg.

Bei Burg treffe ich auf den Elbe-Havel-Kanal, der später im Mittellandkanal übergeht. Ein sehr schöner Radweg führt mich direkt am Ufer Richtung Hohenwarthe. Der Mittellandkanal kreuzt hier mithilfe einer gigantische Brücke die Elbe Richtung Westen. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich. Mal fährt man auf Deichabschnitten, dann durch lange Felder oder durch wunderschöne Wälder. Besonders der Bereich Oranienbaum mit seinen parkähnlichen Wäldern ist sehenswert.





Um kurz vor 17:00 Uhr erreiche ich die Cranachherberge in Lutherstadt Wittenberg. Hier erwartet mich sehr nettes Hotelpersonal, ein riesiges Zimmer sowie eine perfekte Unterstellmöglichkeit für mein Fahrrad.

Nur 5 Minuten Fußweg entfernt befindet sich die Schlosskirche mit der berühmten Thesentür, an die der Überlieferung zufolge Martin Luther seine 95 Thesen genagelt haben soll. Der Besuch darf natürlich nicht fehlen. In der wunderschönen Altstadt gibt es viele Restaurants, die bei diesen sommerlichen Temperaturen die Möglichkeit bieten, draußen zu essen. Natürlich mache auch ich davon Gebrauch und lasse so den Tag ausklingen.

Donnerstag, 18. Augunst 2022
150 km von Wittenberg nach Meißen

Das heutige Ziel ist Meißen in 150 km Entfernung. Wie üblich breche ich auch diesen Morgen schon sehr früh auf. Der Weg führt zunächst über Felder hinter dem Elbdeich entlang. Die Wege sind überwiegend nicht geteert, sondern gepflastert mit einem Grasstreifen in der Mitte. Diese Art Wege sind auf Dauer ziemlich anstrengend zu fahren, da man immer aufpassen muss, dass man nicht seitlich auf das Gras kommt, um keinen Sturz zu riskieren.

Im weiteren Verlauf führen die Wege direkt entlang der Elbe. Der Himmel ist nicht mehr so strahlend blau wie die ersten Tage. Es ist aber noch angenehm warm.

Bereits um 14:00 Uhr erreiche ich Meißen und bin beeindruckt von dem ersten Blick auf die Burg und dem Dom. Mein Quartier, das Hotel „Schweizerhaus“ erreiche ich nach einer kurzen Fahrt durch das Stadtzentrum. Dort erwartet mich ein kleines aber gemütliches Einzelzimmer. Mein Fahrrad kann ich in einer Garage, die über Nacht abgeschlossen wird, unterstellen. Da es noch verhältnismäßig früh ist, mache ich mich auf zu einen Spaziergang in die Altstadt. Über etliche Treppen gelange ich hinauf zum Dom, von wo aus ich einen herrlichen Blick über die Stadt habe.

Da fällt mir mein klappernder Fahrradständer ein. Mit einem Stück Gummi und doppelseitigen Klebeband könnte ich erfahrungsgemäß dieses Problem beseitigen. So etwas bekomme ich im Baumarkt. Also schaue ich nach, wo sich der nächste Baumarkt befindet. Einen Obimarkt gibt es in 4 km Entfernung. Also mache ich mich auf den Weg und besorge dort genannte Utensilien. Wieder im Hotel angekommen ist die Reparatur in wenigen Minuten erledigt, und das klappern hat ein Ende.

Auf der Terrasse am Hotel, das zwar zentral aber trotzdem ruhig gelegen ist, kann man gut und reichlich zu Abend essen. Noch schnell meinen WhatsApp Status bereitstellen, und um 9:00 Uhr liege ich bereits im Bett.

Freitag, 18. Augunst 2022
145 km von Meißen nach Terezín

Das herrliche Sommerwetter hat sich offensichtlich erst einmal erledigt. Es ist zwar noch relativ warm, aber es sieht nach Regen aus.

Heute werde ich nach Tschechien einreisen. Mein Tagesziel ist Terezin oder besser bekannt unter dem deutschen Namen Theresienstadt in 145 km Entfernung.

Kurz nach der Abfahrt setzt bereits leichter Nieselregen ein. Durch die Wärme ist es allerdings sehr gut auszuhalten. Lediglich die Brille kann man bei diesem Wetter nicht gebrauchen, da die feinen Wassertröpfchen einem die Sicht verhindern.

Bereits nach wenigen Kilometern am Elbufer tauchen im regnerischen grau die bekannten dresdener Gebäude, die Frauenkirche, die Kreuzkirche sowie die Semperoper auf. Bei Sonnenschein wäre das sicher ein ganz anderer Anblick gewesen. Aber aktuell ist der Regen stärker geworden, sodass ich keinen Blick für die Schönheit der Skyline habe, sondern einfach nur weiter fahre in der Hoffnung, dass der Regen bald weniger wird oder besser noch aufhört.

Gegen Mittag ist es dann endlich soweit. Der Nieselregen hört auf. Der Fahrradweg verläuft immer direkt an der Elbe, die sich mehr und mehr durch eine bergige Landschaft schlängelt und immer schmaler wird. Nichts erinnert mehr an die breite Elbmündung mit den Ozeanriesen bei Cuxhaven.

Nach 80 km erreiche ich die völlig unscheinbare tschechische Grenze. Lediglich eine Säule mit dem tschechischen Wappen und den Landesfarben, sowie ein paar Stahlpfosten rechts und links davon weisen auf die Landesgrenze hin. Naja, anhalten ist hier Pflicht. Aber nicht wie früher zur Grenzkontrolle, sondern um ein paar Sefies zu machen.

Weiter geht es am Ufer der Elbe durch eine immer interessanter werdende Landschaft. Um kurz vor vier erreiche ich das Parkhotel in Theresienstadt direkt im Zentrum. Soweit man bei dieser Stadt überhaupt von einem Zentrum reden kann. Die Häuser sind hier kasernenartig angeordnet und erinnern an die Kulisse eines Films über das Judengetto Theresienstadt.

Mein Fahrrad kann ich in der Hotelvorhalle, in der sich ein Billardtisch, ein großer Fernseher und mehrere Sitzgruppen befinden, abstellen. Eine Steckdose zum Laden der Akkus ist vorhanden, sodass ich diese nicht mit auf das Zimmer nehmen muss, sondern direkt am Fahrrad laden kann.

Das Abendessen, gegrillter Lachs mit Spinat und Kartoffelspalten mit einer großen Cola kostet umgerechnet gerade mal sechs Euro. Der Clou: Das Essen wird einem hier nicht persönlich, sondern von einem Roboter an den Tisch gebracht. So kann man auch mit Personalmangel umgehen.

Samstag, 20. Augunst 2022
135 km von Terezín nach Kolín

Heute nun die unangenehme Überraschung: Es regnet in Strömen. Und weil ich ja mal wieder so schlau war und nicht mit Regen gerechnet hatte, bin ich natürlich kleidungstechnisch schlecht bis gar nicht darauf vorbereitet. Ein Regenband von ca. 30 km, das sich nicht zu bewegen scheint, versperrt mir meinen Weg Richtung Osten. Mir bleibt nur, abzuwarten und zu hoffen, dass dieses Regenband nach Westen abzieht oder sich auflöst.

Leider tritt bis Mittag weder das eine noch das andere ein. Als die Uhr langsam auf drei zugeht, wird es eng, wenn ich heute noch mein Hotel in Kolín erreichen will. Also entscheide ich mich, mir meine Strickjacke überziehen, die mich zumindest eine gewisse Zeit vor dem Regen schützen würde, bevor sie völlig durchnässt ist.

So starte ich meine heutige 126km lange Etappe im strömenden Regen Richtung Osten. Wenn ich dem Regenradar glauben darf, würde der Regen nach 30 km aufhören. Wenn ich also ordentlich in die Pedale trete, würde ich in einer guten Stunde wieder im Trockenen fahren können. Und so ist es dann auch. Tatsächlich wird der Regen nach 30 km weniger und hört kurz danach vollständig auf. Ich bin allerdings inzwischen nass bis auf die Haut. Nachdem ich einigermaßen sicher bin, dass es nicht gleich wieder anfängt zu regnen, steuere ich einen geschützten Rastplatz an. Dort ziehe ich meine nassen Klamotten komplett aus, um sie gegen trockene Sachen zu tauschen.

So gerüstet setze ich meine Fahrt fort und erreichte gegen 21:00 Uhr trocken mein Hotel „Theresia“ in Kolín.

Ein Blick auf die Wetter App verheißt allerdings für morgen nichts Gutes: 100 % Regenwahrscheinlichkeit bei über 10 mm Niederschlagsmenge. Ich fürchte, dass es morgen nichts mit der Auffahrt zur Elbequelle wird und ich die Tour an dieser Stelle abbrechen muss.

Sonntag, 21. Augunst 2022
Zwangspause in Kolín

Die erste Aktion heute Morgen nach dem Aufstehen ist der Blick aus dem Fenster. Wie befürchtet regnet es in Strömen. Laut Wetter App ist im Laufe des Tages auch nicht mit einer Besserung zu rechnen. Schweren Herzens entscheide ich mich nun tatsächlich, den Tag hier in Kolín zu verbringen und dann morgen bei hoffentlich etwas besserem Wetter direkt nach Bad Schandau zu fahren, um dort das letzte Hotel auf meiner Reise zu erreichen. Abgesehen von der fehlenden Regenausrüstung habe ich auch Sicherheitsbedenken. Als Flachländer habe ich keinerlei Erfahrung, wie sich ein Liegerad mit rund 50 Kilo Eigengewicht in den Bergen bei Regen beherrschen lässt.

Die Verlängerung des Aufenthalts in dem Hotel um eine Nacht kein Problem.

Gegen Mittag mache ich mich auf zu einem Spaziergang in das Zentrum der Stadt. Zu meiner Überraschung treffe ich dort auf ein Outlet-Center, das auch heute am Sonntag geöffnet hat. Unter anderem finde ich dort ein Intersport-Geschäft, indem ich eine leichte Regenjacke sowie eine wasserdichte Softshellhose und Stulpen für die Fahrradschuhe kaufen kann. Eine Regenhaube für den Helm gibt es leider nicht. Aber man kann schließlich nicht alles haben. Zumindest kann ich jetzt davon ausgehen, dass ich für die morgige Fahrt nach Bad Schandau einigermaßen gut gerüstet bin.

In Kolín ist nichts besonderes zu sehen, was mich interessiert. Also kaufe ich noch Reiseproviant und wasserfestes Kettenöl für die morgige Fahrt, vertrödele den restlichen Tag im Hotel und hoffe auf besseres Wetter morgen.

Montag, 22. August 2022

Montag, 23. Augunst 2022
135 km von Kolín nach Bad Schandau

Tatsächlich hat sich das Wetter etwas beruhigt. Nach dem Aufstehen sind die Straßen zwar noch nass, aber aktuell regnet es nicht.

Die heutige Tour führt 135 km Richtung Nordwesten nach Bad Schandau, wo ich ein letztes Mal im Hotel übernachtete, um am Dienstag mit dem Eurocity meine Heimreise über Dresden, Berlin und Hamburg nach Hause anzutreten. Auf dem Weg erwarten mich lange Anstiege bis auf 560 m ebenso wie lange Abfahrten. Ich habe die Strecke so gewählt, dass die Steigungen möglichst nicht über 6 % betragen, wodurch ich allerdings ein paar Umwege in Kauf nehmen muss.

Nach dem Frühstück belade ich mein Fahrrad und checke aus. Noch kurz die Kette einsprühen, denn die hat gestern im Regen ziemlich leiden müssen. Bei einsetzendem leichten Nieselregen starte ich zu meiner ungeplanten letzten Etappe nach Bad Schandau. Im Laufe der Zeit klart der Himmel immer mehr auf ich kann die wunderschöne Landschaft im Norden Tschechiens in vollen Zügen genießen. Teilweise lacht sogar die Sonne hinter den Wolken hervor.

Nach 90 km beginnt der schwierigste Teil der Etappe: eine 10 km lange Anfahrt, bei der ich 300 Höhenmeter bewältigen muss. Dank der Elektrounterstützung muss ich mir allerdings weniger Sorgen um meine Kondition als um das Durchhaltevermögen des Elektroantriebs machen. Immerhin muss der Motor rund eine halbe Stunde ununterbrochen unter Volllast arbeiten, um mich bei dem Aufstieg zu unterstützen. Zur Sicherheit regele ich den Grad der Unterstützung herunter, um den Motor nicht übermäßig zu belasten und mehr mit eigener Körperkraft zu leisten.

Das schöne ist, dass nach jeder Auffahrt die Abfahrt folgt. Und so geht es auch jetzt über 10 km fast ausschließlich bergab. Und da lauert gleich das nächste Problem: das Rad schiebt gewaltig und erreicht locker Geschwindigkeiten von 50-60 km/h. Um aus dieser Geschwindigkeit herunterzubremsen oder wenigstens zu verhindern, dass es noch schneller wird, werden die Bremsen ziemlich gefordert. Am Ende der Abfahrt ist die hintere Bremsscheibe dann auch so heiß, dass ich mir beim Berühren fast die Finger verbrenne. Beim genaueren Hinsehen erkenne ich, dass die Scheibe bereits blau angelaufen ist. Also muss die Bremse eine Temperatur von über 300° erreicht haben. Das war dann wohl doch etwas viel des Guten.

Dientag, 23. Augunst 2022
Von Bad Schandau mit dem Zug nach Hause

Heute geht es wieder nach Hause. Pünktlich um 12:20 Uhr fährt der Eurocity von Prag nach Flensburg auf Gleis drei ein. Der Fahrradwaggon befindet sich ganz vorne direkt hinter der Lok. Offensichtlich ist der Zug schon etwas in die Jahre gekommen. Von Barrierefreiheit keine Spur. Drei steile Stufen sind beim Einstieg mit dem Fahrrad zu bewältigen. Wie gesagt, dass voll beladene Rad wiegt über 50 Kilo, was die Sache nicht gerade einfach macht. Im Fahrradabteil selbst, indem acht Fahrräder Platz haben, muss ich das schwere Liegerad mit dem Vorderrad in einer Halterung an der Wand aufhängen. Es gibt keine Möglichkeit zu verhindern, dass es bei jedem Beschleunigen bzw. Bremsen des Zuges gefährlich hin und her schwingt. Ich kann nur hoffen, dass die Felge am Vorderrad dabei keinen Schaden nimmt.

Nun suche ich meinen reservierten Platz in der ersten Klasse auf. Die Wagen der ersten Klasse befinden sich ganz am Ende des Zuges. Also einmal durch den ganzen Zug vorbei am Speisewagen, bis ich meinen Platz erreiche. Nun kann ich mich erst mal gut 4 Stunden entspannen, bis wir Hamburg Hauptbahnhof erreichen.

In Hamburg angekommen habe ich eine knappe Stunde Zeit zum Umsteigen. Ich stelle mein Fahrrad dem Bahnsteig ab und vertreibe mir bei einem Cappuccino im Bahnhof die Zeit. Als ich zurück auf den Bahnsteig komme, steht mein Zug bereits fertig zum Einsteigen. Ich höre noch eine Durchsage, dass sich der Zug nach Cuxhaven verzögert, weil der Lokführer im Stau steht. Egal, denke ich, und steige ein. Auch in diesem Zug ist der Fahrradwagen vorne hinter der Lok und die Wagen der ersten Klasse ganz hinten. Nach ca. 10 Minuten Verspätung setzt sich der Zug dann in Bewegung. Eine freundliche Lautsprecherstimme sagt: „Willkommen im Metronom nach Tostedt“. Das kann doch nicht wahr sein. Ich sitze offensichtlich im falschen Zug. Ich frage einen Mitreisenden, was ich denn jetzt nicht mitbekommen habe. Der meinte ganz trocken, dass der Zug nach Cuxhaven dahinter stand und auf die Abfahrt dieses Zuges gewartet hat. Ich könne aber noch in Harburg umsteigen in den Zug nach Cuxhaven. Er müsse auch nach Cuxhaven.

Also kämpfe ich mich vom Ende des Zuges wieder ganz nach vorn zu meinem Fahrrad, was zu Zeiten des neun Euro Tickets in dem überfüllten Zug einem Hürdenlauf gleichkommt und mir einige unschöne Kommentare einbringt. Schließlich habe ich es eilig und kann nur bedingt Rücksicht nehmen, wenn ich rechtzeitig die Spitze des Zuges erreichen will.

Natürlich muss ich in Harburg auf einen anderen Bahnsteig, der nur über den Fahrstuhl erreichbar ist. Am Fahrstuhl muss ich noch anstehen und einer Familie mit Kinderwagen, Karre und diskutierenden Halbwüchsigen den Vortritt lassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Fahrstuhl dann wieder unten und ich kann mein Liegerad endlich rückwärts in die Kabine schieben, um es dort senkrecht aufzurichten, da es nur so hineinpasst, weil die Kabine zu kurz für ein Fahrrad ist. Oben angekommen haste ich zum nächsten Fahrstuhl, mit dem ich auf die gleiche Art und Weise hinunterfahre. Völlig abgekämpft erreiche ich den Bahnsteig. In diesem Moment fährt auch schon der Metronom nach Cuxhaven ein.

Um kurz nach 20:00 Uhr endet meine Reise und ich kann endlich meine liebe Frau auf dem Bahnsteig in Cuxhaven in die Arme schließen.